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Vorbilder

 

III. Ramana Maharshi:

 

Ramana Maharshi wurde 1879 geboren und galt schon zu Lebzeiten als Verkörperung der höchsten Weisheit Indiens. 

 

 

 Schon im Alter von 16 Jahren setzte er sich mit dem Tode auseinander, weil er bedrückende Todesängste hatte. So stellte er sich immer wieder die Frage: Was stirbt im Tode?
 Er kam zu der Antwort, dass zwar der Körper sterben könne, jedoch nicht sein Selbst, womit er sein Bewusstsein meinte. Dieses Selbst beschreibt er so:

 

Das Selbst war etwas sehr Reales, das einzige Reale in meinem derzeitigen Zustand, und die gesamte bewusste Aktivität meines Körpers konzentrierte sich auf dieses Selbst. Seither ist die faszinierende Kraft dieses Selbst im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit geblieben [...]. Das Aufgesaugt-Sein in das Selbst dauert seitdem ohne Unterbrechung an. Andere Gedanken erscheinen und verschwinden wieder, ähnlich wie die Noten eines Musikstücks, aber das Selbst ist wie ein Grundton unter den anderen Noten stets vorhanden und mischt sich mit diesen. Auch wenn mein Körper vom Reden, Lesen oder was auch immer eingenommen ist, ist mein ganzes Sein nicht minder auf das Selbst zentriert. Vor dieser Krise vermochte ich das Selbst nicht klar wahrzunehmen, und ich fühlte mich nicht bewusst vom Selbst angezogen. 

 

Er verließ seine Familie und fühlte sich gerufen von dem heiligen Berg Arunachala, der seit Urzeiten als Verkörperung Shivas gilt. Zeitzeugen erinnern sich an ihn, wie er in einem unterirdischen verfallenen Schrein (Pathala Linga) des Arunachaleswara-Tempels gesessen und so im Samadhi versunken gewesen sei, dass er nicht die Geschwüre und Eiterbeulen an seinen Schenkeln bemerkte habe, die sich dort gebildet hatten. Der Yogi Sheshardi Swami holte ihn aus seiner Höhle heraus ans Tageslicht und kümmerte sich um seinen Körper. Nach seiner Gesundung 1899 zog er auf den Berg in die Virupaksha-Höhle, die er bis 1916 nicht mehr verließ. Auch seine Mutter konnte ihn nicht dazu bewegen heimzukehren. So blieb sie bei ihm. Bald kamen die ersten Pilger und es wurde ein Ashram gebaut. Ramana wurde von seinen Schülern wie ein Gott verehrt. Doch blieb er stets einfach und bescheiden. Sein einziger Besitz waren sein Lendentuch, ein Wasserkrug und ein Spazierstock.
Er empfand sich selbst nie als erleuchtet oder als Guru!

 In all dieser Zeit hielt er fest an seinem Schweigen. Fragen seiner Schüler beantwortete er nur schriftlich. Als Vorbild seiner Satsangs führte Ramana oft einen legendären Yogi namens Dakshinamurti an, der seine Schüler allein durch sein Schweigen zum Erwachen geführt haben soll. Auf die Frage, warum Schweigen so mächtig sein kann, antwortete Ramana:


Ein Verwirklichter sendet Wellen spiritueller Kraft aus, die viele Menschen anziehen. Er mag dabei in einer Höhle sitzen und schweigen, doch wenn wir in Verbindung mit einem Verwirklichten kommen, werden wir sofort begreifen, obgleich er nichts sagt. 

 

In dieser Höhle besuchte ihn der bekannte Sanskrit-Gelehrte Vasishta Ganapati Muni, der ihm den Ehrentitel Raman Maharsi (Großer Weiser) gab. Auf diesem Berge blieb er bis zu seinem Tod 1950 in verschiedenen Höhlen. Auch Yogananda und Mahatma Gandhi besuchte ihn. Ein Jahr zuvor (1949) wurde an seinem Arm ein Krebsgeschwür entdeckt. Ramana ließ vier Operationen über sich ergehen, weigerte sich aber, den Arm amputieren zu lassen. Kurz bevor er am 14. April 1950 starb, versicherte er den Zurückbleibenden: Das was ich bin, kann nicht sterben, weil es nie geboren wurde.


Seine Botschaft war ganz einfach:

1) Ego vs Selbst:

Das wahre Selbst kann nicht über den Verstand ergründet werden. Der Verstand verteidigt immer nur das Ego. Die erste Aufgabe ist daher, dieses Ego als Illusion zu verstehen und das Ego zu vernichten. "Wer bin ich?" sei die entscheidende Frage, die sich jeder Mensch stellen solle. Wer konsequent den Weg der Selbsterforschung gehe, erkenne früher oder später, dass das mit dem eigenen Körper identifizierte "Ich" eine Illusion sei. Hinter dem Ego-Selbst zeige sich dann das wirkliche Selbst im Herzen. 

 

Du [...] glaubst, dass du der Geist bist. Der Geist ist aber nichts anderes als die Gedanken. Hinter jedem einzelnen Gedanken steht ein Hauptgedanke, das »Ich«, das du selbst bist. Wir wollen dieses »Ich« den ersten Gedanken nennen. Halte dich an diesem Ich-Gedanken und frage, was er ist. Wenn diese Frage an dir an Kraft gewinnt, kannst du an nichts anderes mehr denken. Wenn du ernsthaft nach dem Selbst suchst, verschwindet der Ich-Gedanke. Etwas Tieferes nimmt von dir Besitz, und das ist nicht das »Ich«, das die Suche begonnen hat. Es ist das wahre Selbst, die wahre Bedeutung von »Ich«. Es ist nicht das Ego. Es ist das höchste Sein. [...] Dieses Forschen ist zwar zunächst auch ein mentaler, ein geistiger Vorgang, er zerstört aber auf Dauer alle mentalen Vorgänge einschließlich seiner selbst, so wie der Stock, mit dem der brennende Scheiterhaufen zurechtgeschoben wird, mit verbrennt, wenn das Feuer Holz und Leiche verzehrt. Damit erreicht man die Erkenntnis, die Verwirklichung des Selbst. Damit wird der illusorische »Ich«-Gedanke – das Empfinden, eine bestimmte Persönlichkeit zu sein – aufgelöst.
Quelle: Gabriele Ebert: Ramana Maharshi. Sein Leben. Lüchow 2003  


2) Hingabe (Bhakti):

Durch Hingabe an Gott könne man sein Selbst erforschen. Unter Bhakti versteht Ramana das bedingungslose Ergeben in das Schicksal. Er unterwarf seinen eigenen, individuellen Willen Gott. Jeder Gedanke an "Ich" und "Mein" sei aufzugeben und alles der Führung des Gottes zu überlassen. "Nicht ich, sondern Du, oh Herr!"
 Auch Wünsche und Gebete, um etwas von diesem Gott zu empfangen oder die Lebens-situation zu verändern/verbessern, seien nur Auswüchse des Ego´s. Wahre Hingabe ist die Gottesliebe um der Liebe willen und um nichts anderes, nicht einmal um Erlösung zu erlan-gen. 

 

Weihe Ihm all deine Taten, wie immer du Ihn auch nennen magst. Bewahre Ihn immerwährend im Hintergrund. Dann wird das Empfinden "Ich bin der Handelnde" wegfallen und dafür das Empfinden "Ich bin das Instrument des Herrn" an seine Stelle treten.  
Quelle: Ramana Maharshi: Die Quintessenz der spirituellen Unterweisung (Upadesa Saram). Books on Demand, Norderstedt 2007, S. 28


Einige Zitate:

Durch die unaufhörliche innere Nachforschung, die fragt «Wer bin ich?», wirst du dich selbst erkennen und dadurch Befreiung erlangen.

Wenn alle Gedanken zur Ruhe gekommen sind, bleibt das reine Bewusstsein zurück.

Das Selbst ist reines Bewußtsein. Niemand kann sich vom Selbst entfernen. Die Frage ist nur in der Dualität möglich. Aber im reinen Bewusstsein gibt es keine Dualität.

Die beste Methode, der Welt zu dienen, ist, den egolosen Zustand zu gewinnen.

Die Ursache Ihres Leids liegt nicht im Leben draußen, sondern in Ihnen als Ihr Ego. Sie legen sich selbst Begrenzungen auf und machen dann vergebliche Anstrengungen, sie zu über-winden.

Ein Guru ist jemand, der zu allen Zeiten in den Tiefen des Selbst weilt. Er sieht niemals einen Unterschied zwischen sich und anderen und ist frei von der Vorstellung, er sei der Erleuchtete und Befreite, während die anderen um ihn herum in Bindung und in der Dunkelheit der Unwissenheit lebten.

Frieden schaffen heißt frei sein von Gedanken und als das reine Bewusstsein verweilen.

Verehre das Göttliche, verehre es gestalthaft oder gestaltlos, bis du begreifst, daß du selber es bist!

 Wenn das Selbst erkannt wird, wird Gott erkannt. Tatsächlich ist Gott nichts anderes als das Selbst.


 

Mich beeindrucken seine Einfachheit und Bescheidenheit. Da ist nichts von einem großen "Erleuchteten", Guru, Meister oder Lehrer zu spüren, der die Menschen mit seinen Reden in den Bann ziehen kann und von Stadt zu Stad und Land zu Land zieht. Er wollte in keiner Weise seinem Ego dienen - auch nicht durch Zurschaustellung seiner Weisheiten und Fähigkeiten. Er wollte nur sein wahres Selbst und die vollkommene Liebe in der Vereinigung mit Gott erleben und seine Anhänger nur durch sein Leben und seine Liebe inspirieren.

 

Stand: Okt. 2017

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